Das schreibt der Verlag:
Mit dem Erbe seines Vaters erfüllt sich Klaus Spreemann einen Lebenstraum: Er gründet sein eigenes Stoffgeschäft. Doch seinen Laden und seine Familie durch die Wirrnisse der Zeiten zu lenken, ist nicht so einfach. Denn mal tobt die Revolution vor dem Schaufenster, mal muss ein Sohn in den Krieg gegen Frankreich ziehen.
Über sieben Jahrzehnte und drei Generationen hinweg spannt Alice Berend die Geschichte der Familie Spreemann und ihres Geschäfts im Berlin des 19. Jahrhunderts – mit Witz, Wärme und einem genauen Blick für die wichtigen Details.
>>Die Reihe Die Berlin-Bibliothek des Jaron-Verlags präsentiert vergessene Literatur aus und über Berlin, die es unbedingt wiederzuentdecken gilt. Alice Berend (1875-1938) war in den 1910er- und 20er-Jahren eine der erfolgreichsten Autorinnen Deutschlands. Spreemann & Co. erschien erstmals 1916 bei S. Fischer und erlebte zahlreiche Neuauflagen – ehe die Nationalsozialisten Alice Berend ins Exil trieben, wo sie mittellos und vergessen starb.
Das sagt Die gute Seite:
Als geborene Berlinerin interessiert mich in Wellen die Biografie der Stadt und seiner Literatur. Jens Biskys Berlin. Biographie einer Großstadt, das “widerständige” Rebellisches Berlin. Expeditionen in die untergründige Stadt, aber auch das von Thilo Bock hrsgg. Ick kieke, staune, wundre mir. Berlinerische Gedichte von 1830 bis heute haben mich begeistert.
Nun bin ich über Reihe Die Berlin Bibliothek des Jaron-Verlags gestolpert, in der mittlerweile diese fünf Titel erschienen sind, und habe mir Alice Berends Titel Spreemann & Co herausgegriffen, weil ich es so faszinierend fand, dass der Titel einer heute unbekannten Autorin so viele Auflagen erreichte.
Spreemann formuliert schon qua Bezeichnung einen Prototyp, den Berend postuliert. Während Protagonist Klaus Spreemanns Vater noch als wandernder Händler unterwegs war und seinen Sohn bis zu deren Tod bei Kloaken-Jule aufwachsen ließ, kann er selbst sodann mit Hilfe von Ererbtem sowie mühsam Gesparten den Aufstieg ins Bürgertum antreten. Er heiratet seine Haushälterin als ihm klar wird, dass die Ehe auch Aushängeschild und Statussymbol ist und übersteht am Stammtisch, im Club und behaglichen Wohnzimmer die Revolution von 1848, die nur verständnisloses Kopfschütteln bei ihm auslöst. Die Zwillingssöhne des Paares und ihre Familien stehen in der Folge für den militärischen Sieg Deutschlands über Frankreich 1970/71 als auch für den wirtschaftlichen Aufschwung während und zwischen den Kriegen bis 1914. Ein Familienzweig betreibt eine Schöneberger Mühle, die schließlich vom Wachstum der Stadt erreicht wird. Weitere Familienmitglieder stellen kaufmännische Verbindungen nach Russland her, fliehen nach Böhmen – und immer wieder geht es auch darum, was ein richtiger Berliner ist. Und schließlich spiegeln sich Industrialisierung, Aktien, Wirtschaftskrise, aber auch Jugend & Altern im Leben der erweiterten Familie Spreemann.
Es handelt sich um einen gefälligen, zeitlich linear erzählten Roman, der – aus heutiger Sicht – etwas betulich mit seinen Figuren das tägliche bürgerliche Leben erzählt und von Krieg, Armut und Kolonien eher am Rande erzählt oder indirekt erwähnt. Das Buch ist nicht explizit politisch, jedoch für sich ein Zeitzeugnis sowie gut, schnell und unaufgeregt zu lesen – und dabei auch durchaus vergnüglich. Insbesondere die ehemalige Zugehfrau und spätere Kaufmannsehefrau Mutter Spreemann bekommt Raum für ihre Sicht, Sorgen und Freuden. Schön!
Für “waschechte” Berlinerinnen, neugierige Alt- wie Neuberliner*, an Familienromanen sowie Geschichte Interessierte und für empathische Biografienspinner:innen der mittleren wie älteren Generationen.
Friederike Hartwig
Alice Berend: Spreemann & Co.
Neu aufgelegt im Juli 2022 im Berliner Jaron Verlag,
344 Seiten im Taschenbuch.
In unserem Webshop: €16