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Anne Siegel: Wo die wilden Frauen wohnen. Islands starke Frauen und ihr Leben mit der Natur

Das schreibt der Verlag:
Island ist ein Land von rauer Schönheit, dominiert von extremen Naturgewalten. Die Gesellschaft ist von diesen besonderen Lebensbedingungen geprägt, und schon immer kam den Frauen darin eine bedeutende Rolle zu. Anne Siegel nimmt uns mit auf eine Reise zu diesen einmaligen Charakteren. Sie erzählt vom abenteuerlichen Leben der Rangerin Katrin, die in der Wildnis der Westfjorde zu Hause ist. Sie trifft die Seefrau Steinunn, deren Familie seit Generationen „im Fisch“ arbeitet und die sich auf der rauen See am wohlsten fühlt. Und sie besucht Hrefna, die erste Geothermalingenieurin Islands, die in ihrem von Männern dominierten Beruf einige Probleme bewältigen musste. Außerdem berichtet sie von Brauerin Agnes Anna, Abenteurerin Vilborg, Vizeweltmeisterin im Islandpferdesport Hulda, Musiklegende Björk, Designerin Katrin Olina, Museumsleiterin Kristin und Schlafforscherin Bryndis. Jede dieser Frauen verkörpert eine beeindruckende Geschichte von Stärke, Mut und unbändiger Lebensfreude.

Das sagt Helene Paulig, Stammkundin der Guten Seite:
Was für ein kitschiger Buchtitel. Wilde Frauen, die auch noch irgendwo wohnen. Wenn schon, sind sie wie wilde Vögel, die fliegen: Zahme Vögel träumen von der Freiheit, wilde Vögel fliegen.

Wer in diesem Buch über zehn Frauen lesen kann, die sich alle durchweg als Feministinnen bezeichnen und in einem Land leben, in dem sich – wie die Autorin schreibt – „vor allem auch die Männer… zum Feminismus bekennen“ und in ihrem Verhalten echte Paradigmenwechsel einleiteten, erfährt deutlich mehr über Frauen und ihre Beziehungen zu Mensch und Natur als der irreführende Buchtitel vermuten lässt.

Die Rangerin, die Schlafforscherin, die Brauerin, die in der ganzen Welt bekannte Künstlerin sind nicht wild: sie sind klug, kreativ, sozial engagiert, durchsetzungsfähig, beziehungsfähig, dem Leben zugewandt, neugierig, tolerant. Sie haben die isländische Gesellschaft nicht nur mit verändert, sie tragen mit dazu bei, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse Islands den Menschen viel Freiheit lassen, in der sie Verantwortung wahrnehmen.

Feminismus? Finanzkrise, Schlafforschung, Bierbrauen!

Dieses Buch erzählt mitnichten nur vom Verhältnis der Geschlechter. Die Frauen sprechen von den Erfahrungen aus der Finanzkrise, die Island bis zu den Grundfesten durchrüttelte und damit auch von Auswirkungen kapitalistischen Wirtschaftens; von der Entwicklung von Wissenschaft wie der Schlafforschung, in der Island weltweit geschätzt wird; von dem Ringen um Klimaschutz, wenn die überdimensionierte Kreuzfahrtschifffahrt intelligent und erfolgreich attackiert wird, die Gletscherschmelze Schmerzen verursacht und gleichzeitig ein gewaltiges Waldaufforstungsprogramm initiiert wird; vom couragierten Weg einer Verwaltungsangestellten in einem Fischunternehmen, die durch einen schweren Unfall ihres Mannes auf See in eine tiefe persönliche wie familiäre Krise geriet und als erfolgreichste Brauerin Islands daraus hervor ging.

Die Geschichten, die die Autorin aufschreibt, sind alle spannend und voller Informationen über Island, seine Geschichte, das Leben seiner Bewohner*innen und die heutige Gesellschaft dieser Insel mit all ihren Problemen. Sie lässt in den Texten oft auch ihre eigenen Erfahrungen als Island-Kennerin einfließen; manchmal geht dann der Faden zur Porträtierten verloren. Es ist angenehm, den Frauen in einem farbigen Bildteil ins Gesicht schauen zu können und auf einer Karte zu sehen, wo sie leben.

Was ist isländisch im privaten und gesellschaftlichen Leben?

„Die Menschen schieben aber auch gar nichts auf die lange Bank. Das bedeutet, dass sie das, was sie anpacken, immer sofort erledigen.“
„Wenn ein Pferd blöd ist und nicht mitmachen will oder beißt oder gefährlich wird, sind wir in Island ganz pragmatisch (…) bevor ein Mitarbeiter zu Schaden kommt oder sich jemand wegen eines gefährlichen Pferdes den Rücken bricht, essen wir es lieber.“
„Isländische Eltern sind so ziemlich das Gegenteil von Helikoptereltern.“
„Sie (Björk, d.V.) ist auch da ein Stück Island, denn in diesem Land trifft die Liebe zu der sehr alten Kultur auf eine gewaltige Fortschrittsverliebtheit.“

Wild finde ich das alles nicht, aber zum Glück hat mich der Titel des Buches nicht abgeschreckt. Ich will dahin, nach Island, wo es wilde Natur gibt, die Sonne im Sommer nicht unter und im Winter nicht aufgeht, wo Feminismus kein Schimpfwort ist, weil es Menschen gibt, die Lust am Leben mit all seinen Widersprüchen haben. Sie singen nicht von Freiheit, sie fliegen.

Und zum Schluss noch diese Erkenntnis der Schlafforscherin Bryndis: „Die Väter bestimmen die Schlafgewohnheiten genetisch, wenn die wenig schlafen, dann schlafen auch deren Kinder in der Regel wenig.“

Helene Paulig

Anne Siegel: Wo die wilden Frauen wohnen.
Porträts, 220 Seiten, erschien im März 2020 im Malik Verlag
Mit 16 Seiten Farbbildteil und einer Karte.
Gebunden €20, epub €16,99 – zum Webshop
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