Das schreibt der Verlag:
Eine Frau – eine Nachricht – eine Verunsicherung. In ihrem neuen Roman schreibt Doris Knecht über familiäre Geheimnisse und die fatalen Folgen von Frauenverachtung und digitaler Gewalt
“Die Nachricht” handelt von Frauen, deren Souveränität stets aufs Neue infrage gestellt wird – und von den Lügen, die wir gerade den Menschen erzählen, die uns am nächsten stehen.
Vier Jahre nach dem Tod ihres Mannes lebt Ruth allein in dem Haus auf dem Land, wo die Familie einst glücklich war. Die Kinder haben längst ihr eigenes Leben, während Ruth das Alleinsein zu schätzen lernt. Bis sie eines Tages eine anonyme Messenger-Nachricht bekommt, von einer Person, die mehr über ihre Vergangenheit zu wissen scheint als Ruth selbst.
Doris Knecht schreibt über eine Frau, die plötzlich zur Verfolgten wird, und erweist sich einmal mehr als virtuose Skeptikerin zwischenmenschlicher Beziehungen.
Das sagt Die gute Seite:
Letztes Jahr im Sommer habe ich das Buch gelesen; mein erstes der Autorin. Und es wirkt noch und immer wieder nach. Nämlich immer dann, wenn ich andere Bücher zum großen, weiten Thema Frauenverachtung, Mackerei, Sexismus lese. Nämlich wie gerade jetzt, wo ich Mareike Fallwickls Das Licht ist hier viel heller nochmals gelesen, Najat El Hachmis Am Montag werden sie uns lieben entdeckt habe und seit Jahresbeginn Teil eines tollen Lesekreises bin.
In Doris Knechts Die Nachricht erhält die verwitwete, mitten im Leben stehende Ruth aus dem Nichts sexualisierte, herabwürdigende Nachrichten. Aufgrund von Detailkenntnissen ihres Alltags muss diese Person aus ihrem näheren Umfeld stammen. Und es gibt keinerlei Hinweise darauf, warum und vom die Nachricht kommt. Und noch eine. Dann länger nichts, dann wieder. Nicht nur die Protagonistin erhält diese Nachrichten, zunehmend auch Freund:e, später Geschäftspartner:innen, schließlich auch ihre erwachsenen Kinder. Steter Tropfen höhlt den Stein, sie verliert an Boden; ihre Glaubwürdigkeit steht in Zweifel. Er wirkt sich emotional, gesundheitlich, ökonomisch aus.
So ein Buch verkauft sich nicht so schön. Wer will das verschenken? Selber lesen? Ich bin so froh, dass ich es einfach aufgeschlagen habe – weil ich “das neue von der Knecht” lesen wollte, ohne zu wissen, worum es ging. In zwei schnellen Tagen hatte ich es durch. Der Sog war unwiderstehlich. Krimigleich, weil ich durch den Roman so plötzlich mit etwas konfrontiert war wie seine Hauptfigur – aus dem Nichts, erst sachte kopfschüttelnd, dann immer ungläubiger.
Bis zum Ende – an dem Ruth die Identität des Nachrichtenschreibers erfährt, unterstützt wird, einen Umgang finden muss mit dem neuen Wissen, sich Strategien erarbeitet für ein Weiterleben, denn Gerüchte, Zweifel, Kontaktverluste lassen sich nicht zurückholen. Tröstlich und gleichzeitig fassungslos macht, dass sie nicht allein ist.
Es bleibt bei Nachrichten und der Schreiber ist offensichtlich kein sog. Incel (s. Buch von 2020 zum Phänomen von Veronika Kracher beim ventil verlag), aber gerade die Bandbreite an Herabwürdigungshandlungen und das ihnen inhärente Menschen- und Frauen*bild macht Knechts belletristische Verarbeitung so immens wichtig.
Und so kann ich das Buch tatsächlich nur empfehlen – auch und gerade zum Verschenken. Natürlich mit etwas Obacht. Aber so wie wir Schwangeren und frischen Eltern keine Kindermorde oder Entführungen auftischen oder eine:r Trauernden keine Es-sterben-dauernd-Leute-in-dem-Roman in die Hand drücken, schenke ich dieses Buch nicht einer von Gewalt Betroffenen in Therapie oder einer 18-Jährigen in ihrem größten Liebeskummer. Aber ein Jahr später. Und der Freundin. Und der Mutter. Und der Mitstreiterin.
Friederike Hartwig
Doris Knecht: Die Nachricht.
Erschien im Juli 2021 im Hanser Verlag.
253 Seiten, In unserem Webshop: €22, ebook €16,99.
MP3 beim Argon Verlag, gelesen von Vera Teltz €24,95, Download €19,95.