Das zentrale Ausstellungsstück sind vier Panele mit am Strand würfelnden Frauen. Der Titel dieser Lieblingsarbeit der Künstlerin: DADOS. Nachfolgend findet sich ein Interview mit Stefanie Jordan dazu.
Stefanie Jordan lebt als queere Künstlerin, Regisseurin, Illustratorin, Kunsttherapeutin und Comic Zeichnerin in Berlin. Nach einem Trickfilmstudium an der Hochschule für Film und Fernsehen HFF in Potsdam-Babelsberg arbeitete sie viele Jahre als Regisseurin für Trick-und Dokumentarfilme (Silberner Bär für Kurzfilm/ Internationale Filmfestspiele Berlin 1997, Juliane-Bartel-Preis 2003, u.v.m.) und als Lehrbeauftragte. Sie erhielt mehrere Male die Künstlerinnenförderung des Berliner Senates für Film/Video, bevor sie beschloss die Bilder “anzuhalten” und ihre Liebe zum Comic entdeckte. Seit vor fünf Jahren ihr erster Comic im Rahmen des Comicfensters in der Berliner U-Bahn lief, hat sie weitere grafische Narrative u.a. in Australien, Kanada und den USA veröffentlicht und war mit einem Exponat in einer Ausstellung beim Comic Festival 2021 in Stuttgart vertreten. Ihre Comic Miniaturen wurden letztes Jahr im Rahmen der “Comicinvasion Berlin” in einer Satellitenveranstaltung ausgestellt.
https://www.instagram.com/stefaniejordan11/
https://vimeo.com/419297812
https://www.notinkansasanymore.com/
DADOS wurde Anfang 2023 in einer Literatur-Anthologie von Driftwood Press veröffentlicht, begleitet von einem Interview, das James McNulty, der Mitbegründer und Managing Fiction Editor von Driftwood Press, im Herbst 2022 mit Stefanie Jordan führte.
James McNulty: Uns haben die hier gezeigten Entscheidungen über Blickwinkel und Körper sehr interessiert. Worauf achten Sie bei der Wahl von Blickwinkeln und Standpunkten?
Stefanie Jordan: Als bildende Künstlerin treffe ich fast alle meine ästhetischen Entscheidungen intuitiv. Ich neige von Natur aus dazu, die Welt um mich herum in Rhythmen und Mustern wahrzunehmen und praktisch nach Formen zu suchen, die miteinander in Verbindung stehen. Diese Aspekte beeinflussen ganz sicher meine visuellen Entscheidungen, die wiederum eine wichtige Rolle in dieser grafischen Erzählung spielen. Außerdem gibt es eine kompositorische Idee: ein Spielfeld, eine Bühne, auf der sich die Figuren in ihrer Interaktion zeigen, die Frauen in ihrem Körperbewusstsein und ihrem Lebensgefühl, und innerhalb all dieser Aspekte (gewissermaßen symbolisch) das Spiel selbst. Das eher “männerassoziierte” Spiel mit den Würfeln verstärkt noch einmal die Selbstverständlichkeit und das Selbstbewusstsein dieser Frauen. Man könnte sagen, dass ihre Körpersprache, insbesondere ihre Gesten und die Positionen, die sie einnehmen, das visuelle Vokabular der Geschichte sind.
Es gibt hier viele auffällige und detaillierte Körperdarstellungen. Haben Sie beim Zeichnen Modelle, Referenzfotos oder Erinnerungen verwendet?
“DADOS”, was übrigens das spanische Wort für Würfel ist, basiert auf einem Tag am Strand, den ich mit einer Gruppe von Frauen in den Achtzigern verbracht habe, die mir sehr ans Herz gewachsen sind. Während sie sich in der Sonne entspannten und auf einem Haufen Handtücher lagen, vergnügten sie sich bei einem Würfelspiel, in dem sie sich völlig verloren. Diese Szene hat mich dazu inspiriert, eine grafische Erzählung zu erstellen, um die Körperfreundlichkeit zu zeigen, die sie an den Tag legten und die auch mich tief berührt hat. Deshalb machte ich mehrere Fotos, die als Ausgangspunkt für die Bilder dienten, die ich später zeichnete.
Das Blau des Tuchs umhüllt die Figuren. Sie scheinen alle auf einem Bett zu sitzen, doch die Fläche scheint zu groß zu sein, um ein Bett zu sein. Dieses umhüllende Blau trägt zum Surrealismus dieses kurzen Stücks bei. Was hältst du davon?
Ich habe das Blau für das Tuch bewusst gewählt, da ich eine Farbe als Hintergrund schaffen wollte, die zu den Hauttönen der Figuren passt. Die Idee war, ihre Körper und ihre Körperhaltungen so gut wie möglich hervorzuheben, um sie gewissermaßen zum Strahlen zu bringen. Gleichzeitig wollte ich den Fokus davon ablenken, wo sie sind, und darauf lenken, wie sie sind.
Die fragmentierten Panels scheinen im Laufe der Seiten immer mehr zu einem Ganzen zu werden. Obwohl es keine klare Erzählung gibt, glauben Sie, dass die Form selbst eine erzählerische Entwicklung beinhaltet?
Auf jeden Fall. Auch wenn es sich nicht um eine Erzählung handelt, die zu einer klassischen Auflösung führt, so beinhaltet sie doch im Grunde Action, Rhythmus und Zeit. Während die größeren Frames die Position der einzelnen Protagonisten im Spiel und der Gruppe als Ganzes veranschaulichen, dienen die kleineren Sub-Frames dazu, eine zeitliche und handlungsbezogene Dimension hinzuzufügen. Sie heben bestimmte Bewegungen hervor und vergrößern sie, während sie das Kontinuum des Spiels wiedergeben.
Wir waren wirklich beeindruckt von den Details in den Händen dieser Figuren – all die Falten und komplizierten Gesten. Welche Körperteile interessieren Sie am meisten beim Zeichnen? Und welche Teile des Körpers sind am schwierigsten zu zeichnen?
Am meisten interessieren mich in diesen Zeichnungen die Hände, weil sie sehr viel über die betreffende Person aussagen. Handgesten können zum Beispiel den Habitus vermitteln. Außerdem zeigen sie viel Charakter und sind explizite Ausdrucksmittel für Haltungen. Konkret zeigen meine Zeichnungen das Alter als äußere und innere Dimension in einem sehr deutlichen Kontrast. Extrem faltig, sind diese Hände auch eindrucksvoller Ausdruck von Kraft und Vitalität. Die Art und Weise, wie diese Frauen Schmuck und Nagellack tragen, zeigt, dass sie ein sehr klares Selbstwertgefühl haben. Zudem tun sie dies in einem Alter, in dem Frauen normalerweise gesellschaftlich unsichtbar sind oder werden, weil sie nicht mehr dem auf Jugend getrimmten Schönheitsideal entsprechen.
Indem ich sie zum Thema meiner Geschichte mache, setze ich einen Kontrapunkt zu den gängigen Darstellungen von Weiblichkeit, in denen Frauen nur dann Attraktivität zugeschrieben wird, wenn sie noch Objekt eines begehrenden Blicks sind. Die hier gezeigten Frauen unterwerfen sich solchen Zuschreibungen nicht mehr, sie fühlen sich wohl mit sich selbst, wie sie sind, und mit der Gesellschaft der anderen Frauen. “DADOS” ist eine Hommage an das Alter, an ältere Frauen und ihre individuelle Art des Alterns. Ihre ausdrucksstarken Falten sind ein visuelles Zeugnis für ein lang gelebtes Leben.
Das Fehlen von Schatten oder Schattierungen war sofort interessant, da es dem Werk einen Pop-Art-Charakter verlieh, ohne die Aufmerksamkeit für detaillierte Körper zu beeinträchtigen. Ist dieser Stil etwas, das Sie entwickelt haben, oder war er für dieses Werk ganz neu?
Normalerweise verwende ich gerne Schatten, um Körpern oder sogar Objekten in meinen Zeichnungen Tiefe zu verleihen und sie auf diese Weise zu formulieren. Bei dieser Arbeit habe ich mich aber ganz bewusst dagegen entschieden. Es war mir wichtig, die Falten eher wie ein Kartograph auszuarbeiten, ihren Verlauf auf der Haut nachzuzeichnen, wie auf einer Lebenskarte sozusagen, sie als Lebenslinien” ästhetisch hervorzuheben.
Um die Qualität der menschlichen Haut als Karte der aufgezeichneten Zeit zu betonen, habe ich den Hautton als homogene Farbfläche gestaltet. So kann er am besten als Hintergrund für die eingeschriebenen topografischen Linien dienen, was wiederum deren grafische Qualität hervorhebt und verstärkt.
Ohne Schatten liegt alles offen oder ist sozusagen offen ausgelegt. Nichts ist versteckt. Da meine Zeichnungen auch eine liebevolle Hommage an das Alter sein sollen, ist es mir wichtig zu vermitteln, dass es überhaupt nichts zu verbergen gibt.