Das schreibt der Verlag:
Rom im siebzehnten Jahrhundert – prachtvolle Paläste, monumentale Kuppeln, kostbarer Schmuck. Durch die selbstherrliche Macht der Päpste und Kardinäle wächst die Stadt im barocken Prunk. Während Frauen Kind auf Kind gebären und sich für die Familie abschinden, malt eine Dreizehnjährige ihr erstes Altargemälde. Der Vater, plebejisches Künstlergenie und Komödiendichter, führt das Wunderkind in die Kunst ein und lehrt sie, an das Unmögliche zu glauben. Plautilla Bricci wird nicht nur eine bedeutende Malerin und Mitglied der Accademia di San Luca, sondern auch die erste Frau, die einen prächtigen Palazzo nach eigenen Entwürfen plant und vollendet. Gegen alle Widerstände wird ihr Name in den Grundfesten der Villa Benedetta auf dem Gianicolo eingraviert sein.
Das sagt Helene Paulig, Stammkundin der Guten Seite:
Wer neugierig ist, tief in eine Vergangenheit einzutauchen, der ist bei Melania G. Mazzucco genau richtig. Durch ihre jahrelange mühevolle Recherche schafft sie es, das Leben im Rom des 17. Jahrhunderts atemberaubend lebendig auferstehen zu lassen. Sie beschreibt mit suggestiver sprachlicher Kraft die unmenschlichen feudalen Abhängigkeiten einer Gesellschaft vom mächtigen, selbstsüchtigen Klerus. Nicht nur die sogenannten einfachen Leute, auch alle Künstlerinnen und Künstler, die Rom so phantastisch gestaltet haben, trifft diese Abhängigkeit. Es ist ein Sittengemälde aus Macht, Schönheit, Brutalität, Kreativität, Widerstandskraft, handwerklichem Können und Visionen, das die Autorin mit Worten malt und das die Leserin nicht loslässt.
Spannend an diesem Buch ist, dass die handelnden Figuren gelebt haben. Viele ihrer Werke sind bis heute in Rom zu besichtigen. So auch von Plautilla Bricci, genannt Briccia (1616-1705). Sie hatte das Glück, einen inspirierenden Vater zu haben. „Viele Jahre konnte ich mich nur auf drei Dinge verlassen: Gott, meinen Vater und die Jungfrau Maria“, heißt es im Roman. Denn Väter kümmerten sich nicht um ihre Kinder in jener Zeit: „Rutilio bezahlte weder Alimente, noch beteiligte er sich in irgendeiner Weise an ihrer (seiner Töchter – Anm. H.P.) Erziehung. Dafür wurde er nicht verachtet, denn alle Väter machten es so; den Söhnen widmeten sie außergewöhnlich wenig Energie, und den Töchtern gar keine.“ Bei Giovanni Bricci war das anders. Er sprühte vor Kreativität, Geist, Klugheit und Wissen; er konnte damit auch seine Familie über die Runden bringen, auch wenn die Armut immer vor der Tür stand. Er führte seine aufgeweckte und neugierige Tochter in die Malerei und Kunst ein, schrieb eine Abhandlung über den Satz des Pythagoras und diskutierte mit ihr darüber, er ließ sie seine Komödien spielen.
Plautilla saugte alles auf, malte, dachte, beobachtete, war pfiffig, um an Wissen zu gelangen. Dass das für Mädchen jener Zeit unglaublich schwer war, erzählt der Roman. Denn Mädchen und Frauen wurden unsichtbar gemacht von Männern, die sich dabei auf Tradition und katholische Kirche berufen konnten. Plautilla war zäh und widerständig. Sie verzichtete auf eigene Kinder: „Eine Frau ohne Mann und Kinder. Wenn ein Baum keine Früchte trägt, fällt man ihn.“
Plautilla wird zur ersten bekannten Architektin der Geschichte. Sie ist selbstbewusst genug, um sich im Grundstein zu verewigen. Weil dieser Schriftzug von jemandem dokumentiert wurde, konnte die Autorin diesen Fakt aus den Tiefen der Archive ans Licht bringen. Es ist mit dem Blick von heute immer wieder überraschend, wie sich Frauen Leben und eigenständiges Handeln in der Gesellschaft Stück für Stück erobern mussten. Dass es Malerinnen gab, das wussten die Herren, trotzdem war es kompliziert für Plautilla in die ehrwürdige Accademia di San Luca, in der Größen wie Bernini oder Borromini wirkten, aufgenommen zu werden. Aber Häuser bauen? Dazu waren Frauen nicht fähig, davon war die Welt überzeugt.
Dieser Roman lässt nicht nur Menschen auftreten, u.a. auch die Dynastie Barberini, sondern beschreibt auch das alltägliche Leben der armen und reichen Leute und der dazwischen: ihre sozialen Beziehungen, Pest, Liebe, Markt-, Handwerks- und künstlerisches Geschehen. Mittendrin ist Plautilla, die allen Widrigkeiten trotzt, u.a. weil sie von ihrem Vater stark und unabhängig gemacht wurde. Sie plant und baut ihren Palazzo Benedetti in der Via di Monserrato auf dem Gianicolo.
Melania G. Mazzucco: Die Villa der Architektin
Übersetzt aus dem Italienischen von Karin Fleischanderl
Originaltitel: L’architettrice (2019).
Erschien im August 2024 im Folio Verlag,
gebunden, 460 Seiten.
In unserem Webshop: €28,-/ ebook €19,99
>>Ebenfalls von Karin Fleischanderl übersetzt: Erklärt Pereira, Tierisch laut, …