Das schreibt der Verlag:
Wenn Menschen scheinbar aus dem Nichts ausflippen, steckt manchmal ganz schön viel dahinter. Bei Ines Geiger etwa, die aus Frust auf ihren Arbeitsalltag nur noch positive Asylbescheide ausstellt. Bei Heide, die mit ihrem kleinen Sohn den Kindergarten besetzt, weil die Öffnungszeiten für eine Alleinerzieherin ein Witz sind. Oder bei ihrer Exfrau, der Astronautin Katalin, die angesichts einer sturen KI in ihrer winzigen Kabine auf der Raumstation ISS rabiat wird, während die Aktivistin Milka aus Protest gegen die Arbeitsbedingungen in der Lebensmittelindustrie im Supermarkt mit Tomaten um sich wirft. Sie alle wollen etwas verändern, für sich persönlich oder im Großen. Ihnen allen wurden Steine in den Weg gelegt, die manchmal nur mit Gebrüll aus dem Weg gesprengt werden können.
Ursula Knoll zeigt in ihrem Debütroman eindrucksvoll, wie wir mit der Erde, dem ewig ungerechten Geschlechterverhältnis und schließlich mit uns selbst umgehen.
Das sagt Die gute Seite:
So schön! Tolles haptisches Cover, lebhaft ausgearbeitete Figuren, deren Verbindungen zueinander sich nach und nach entrollen. Poetisch, realistisch, mit leiser Spannung, lauter Energie, unvermuteter Kraft und sanften Eigenheiten lernen wir die Frauen mit ihren Zielen, Lebensumständen und Eigenheiten kennen.
Eszter fährt gern Rennrad (aber nach Möglichkeit nur ganz in der Früh), mag nicht gern barfuß gehen, wagt klandestin den Finanzmarktcrash, während sie tagsüber vielleicht langweilig daherkommt. Milka kämpft für bessere Arbeitsbedinungen im Gemüseanbau im südlichen Italien, wartet in Washington auf Liebesbesuch und wird in einem Supermarkt von der Polizei abgeführt. Erzieherin Fatima ist mit einer Kitabesetzung konfrontiert, muss doch aber ihren eigenen Pflichten nachkommen und knutscht endlich wieder einmal hemmungslos in aller Öffentlichkeit. Helga macht aus einer beruflichen Überforderungssituation das politisch Beste, verwundert den WG-Küchentisch und wagt den Kontakt. Katalin hingegen hat sehr wenig Kontakt, denn sie ist gut verdienende Weltraumingenieurin, sehnsüchtige Mutter ohne Sorgerecht und rettet durch Zufall ein Stück Welt.
Gerade die realistischen Schilderungen in der Weltraumkapsel hat mehrmals den Impuls in mir ausgelöst, nachzulesen, ob das so vorgekommen sein könnte – dem ich aber doch nicht gefolgt bin, weil es letztlichlich irrelevant ist. Das ist das Privileg der Literatur: nichts zu müssen. Die Autorin macht davon fantastischen Gebrauch.
Die Lektorin, promovierte Literaturwissenschaftlerin und aber vor allem gelernte Dramaturgin (am Wiener Burgtheater und den wiener wortstätten) Ursula Knoll legt mit Lektionen in dunkler Materie ihren Debütroman vor. Er ist literarische Manifestation dessen, was ich mir unter Dramatischem Schreiben vorstelle, wenn es denn Texte für die Bühne hervorbringt, die anders funktionieren als elegische Romane.
Vor allem plastisch bildreicher für den Kopf, voller Stimmungen und praktischer Details. Was für eine schöne Entdeckung, die lange – und damit viel zu lange – auf dem Lesestapel schlummern musste. Nun aber soll sie auch von uns aus weiter in die gute Welt.
Friederike Hartwig
Ursula Knoll: Lektionen in Dunkler Materie
Erschien am 28.02.2022 im Verlag Edition Atelier,
Gebunden, 247 Seiten.
In unserem Webshop: €22, ebook €16,99.