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3x Albanien. Lindita Arapi: Albanische Schwestern (& Lea Ypi: Frei & Ermal Meta: Morgen und für immer)

Das schreibt der Verlag:

Alba ist eine von Ängsten geplagte Enddreißigerin. Eine Sozialarbeiterin, die mit ihrem Mann, einem Informatiker, in Wien lebt. Zwar ist es ihr gelungen, das bedrückende Albanien ihrer Kindheit und Jugend zu verlassen und sich eine Existenz in Österreich aufzubauen. Doch das Erreichte kann sie nicht genie­ßen. Nirgendwo fühlt sie sich zu Hause, auch in ihrer Ehe nicht. Vielmehr erfährt sie dort erneut Entfrem­dung und Einsamkeit. Ihr Mann reagiert mit Unverständnis und Rückzug auf ihre Ängste, sie fühlt sich verlassen und verraten, als er eigene Wege geht. Einzig ihre Schwester Pranvera, die Schöne, Kluge, Starke ihrer Jugendjahre, steht ihr in abendlichen Telefonaten aus Albanien zur Seite.

Pranvera ist ihr einziger Halt in einer von der kommunistischen Diktatur bestimmten Jugend gewesen, in einem von patriarchaler Strenge und Gewalt geprägten Elternhaus. Die Schwestern entwickelten trotz unterschiedlicher Lebenswege eine tiefe Verbun­denheit.

Albas Lebenskrise wird durch Rückblenden aus der Kindheit und durch die Schilderung von Erfahrungen in einer albanischen Kleinstadt in den 1980er und 1990er Jahren nachvollziehbar. In ihren Erinnerun­gen und in ihrem aktuellen Leben spiegelt sich die Ambivalenz und innere Gebrochenheit einer Seele, die zwischen Aufbegehren, Emanzipationswillen und dem Wunsch, endlich Ruhe zu finden, immer wieder die Fesseln der Vergangenheit zu spüren bekommt.

Als ihr Vater stirbt, kehrt sie in ihre Heimat zurück. Sie erlebt eine verlassene Stadt im Stillstand, einsame Alte, die den ganzen Tag auf einen Anruf der in den Westen emigrierten Kinder warten. Deren Verwahrlosung löst in Alba den Impuls aus, ihnen zu helfen. Am Ende erscheint Alba stärker, als sie es selbst erwartet hätte, und findet einen Lebensentwurf, der ihr entspricht.

Das sagt Die gute Seite:

Nicht zuletzt mit Russlands Krieg gegen die Ukraine werden die osteuropäischen Länder und vor allem deren Geschichte im 20. Jahrhundert neu in den Blick genommen und gewinnen hoffentlich die notwendige Aufmerksamkeit. Wie war das noch mit den kommunistischen Diktaturen im Osten – irgendwie überall und doch überall ein bisschen anders? Mit Bezug zu Albanien bieten derzeit mehrere Titel einen guten Einstieg.

Lindita Atrapis Albanische Schwestern liest sich schnell und gut, weil wir an den Lebensumständen der Hauptfigur Alba im Hier und Jetzt anknüpfen können. Es geht um Job, Ehe, Alltag und warum das nicht reicht, sich nicht gut anfühlt, obwohl doch eigentlich alles in Ordnung ist. Alba geht dem sehr mühsam auf die Spur. Wie häufig in Diaspora-Geschichten ist ein Begräbnis der Auslöser für Albas Rückkehr ins albanische Dorf. Denn in der Bestattung liegt immer auch eine Zäsur: ein Vorher und Nachher, der Blick zurück in die Zeit, als die verstorbene Person noch am Leben war und wie das Leben mit ihr war. Zwangsläufig tut sich auch der Blick in die Zukunft auf und was sich in ihr durch den Tod ändern wird.

So trifft Alba Pranvera wieder und die allwissende Erzählerin stellt die Lebenswege der Schwestern nebeneinander, von denen Eine blieb und die Andere ging. Der Roman wirft ein Schlaglicht auf die Frauen der Gesellschaft, denen die Autorin explizit eine Stimme geben wollte. Albanische Schwestern kommentiert wie nebenbei die guten Gründe das Dorf zu verlassen in Richtung der nächstgrößeren Stadt oder gar ins Ausland, aber auch die, zu bleiben und welche Konsequenzen das für die Beteiligten hat. Und dass Wiederkommen eine weitere Option sein könnte.

Friederike Hartwig

Lindita Arapi: Albanische Schwestern
Erschien im April 2023 im Bonner Weidle Verlag.
Fadengeheftete Broschur, 235 Seiten. Originaltitel: Të Murosurat.
Aus dem Albanischen übersetzt von Florian Kienzle,
In unserem Webshop: €25, ebook €14,99.

Mehr Literatur zu Albanien?
>>Seit 2012 liegt von Lindita Arapi auf Deutsch zudem der Roman Schlüsselmädchen vor (Dittrich Verlag/ Imprint Velbrück).
>>Lea Ypis Buch Frei (Suhrkamp) hat zuletzt für viel Aufmerksamkeit gesorgt und den Buch-Fokus auf Albanien gerichtet. Es liegt nun im Taschenbuch vor.
>> Sänger und Songwriter Ermal Meta legte kürzlich mit Morgen und für immer (hanser.blau) sein Roman-Debüt vor.