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Julia Friedrichs: Working Class. Warum wir Arbeit brauchen, von der wir leben können

Das schreibt der Verlag:
»Ihr werdet es einmal schlechter haben!«
Die Generation nach den Babyboomern ist die erste nach dem Zweiten Weltkrieg, die ihre Eltern mehrheitlich nicht wirtschaftlich übertreffen wird. Obwohl die Wirtschaft ein Jahrzehnt lang wuchs, besitzt die Mehrheit in diesem Land kaum Kapital, kein Vermögen. Doch sich Wohlstand aus eigener Kraft zu erarbeiten ist schwieriger geworden, insbesondere für die, die heute unter 45 sind. Die Hälfte von ihnen fürchtet, im Alter arm zu sein. Was sind die Ursachen für diesen großen gesellschaftlichen Umbruch, wann fing es an?

Julia Friedrichs spricht mit Wissenschaftlern, Experten und Politikern. Vor allem aber begleitet sie Menschen, die dachten, dass Arbeit sie durchs Leben trägt, die reinigen, unterrichten, Tag für Tag ins Büro gehen und merken, dass es doch nicht reicht. Sie sind die ungehörte Hälfte des Landes. Dieses Buch erzählt ihre Geschichte.

Das sagt Die gute Seite:
Vor sechs Jahren hatten wir im März 2015 Julia Friedrichs zu einer Lesung bei uns zu Gast mit ihrem damals neu erschienen Titel Wir erben inkl. Beispielen aus Kreuzberg, was die Thematik gleich etwas realer machte. Seitdem folgten Gestatten Elite und eine Werder-Bremen-Gebrauchsanweisung. Zuletzt war sie als Ko-Autorin mit der ARD-Doku UNGLEICHLAND-Reichtum (s.a. Schorlau-Kritik) zu sehen. Derzeit tourt sie durch die Talkshows, denn sie hat offenbar mit Working Class einen Nerv getroffen.

Thematisch bestätigen ihre Recherchen eine Spaltung der Gesellschaft in Reiche und Arme. Aber weil sie sie anhand von biografischen Beispielen darlegt, ist es ein leichtlesiges Buch auch für Politik- und Zusammenhangsinteressierte, die sich nicht als Analyse- und Theorie-Cracks verstehen.

Friedrichs schichtet in Anlehnung an die US-Ökonomen Zucman & Saez die Bevölkerung anhand ihres Vermögens. Übertragen heißt das, dass “auch in Deutschland die meisten Menschen Arbeiter [sind]”. Demnach gehört für sie die Bevölkerung ohne nennenswertes Kapital zur titelgebenden Working Class, die von ihrer Arbeit leben müssen. Daher nutzt sie in Abgrenzung zu anderen “Arbeiterklasse”-Definitionen den englischsprachigen Begriff, der ihr zusagt, weil er umfassender sei.

Die Autorin konfrontiert Politiker:innen mit den Schwierigkeiten der Begleiteten und Befragten. Aus einer kleinen, vielleicht “naiven” Frage, wie die Autorin selbst schreibt, wird so schnell das große Ganze. Insofern ist Working Class ein fast schon populäres, leicht verständliches, sehr gut montiertes Sachbuch, das die belegenden Statistiken gut einwebt in die Geschichten von Said, Alexandra & Richard und Christian.

Julia Friedrichs gibt sich als Kreuzbergerin zu erkennen, besucht mehrmals Zaphhahn-Wirt Reza Eskafi im Karstadt am Hermannplatz und erläutert nebenbei die aktuelle Situation zum geplanten Umbau des Warenhauses.

In einigen Veranstaltungen hat sie seit Erscheinen des Buches immer wieder deutlich gemacht, dass sie keine Aktivistin ist, denn zwangsläufig bekommt sie schlussendlich immer die Frage gestellt, was sie denn nun vorschlage, was zu tun sei. Ob ich nun bei der SPD Erlangen mitgehört habe, beim 1.-Mai-GRÜNE-Gespräch mit Annalena Baerbock, DLF-Podcast LakonischElegant oder auch TV-Show Hart aber fair – niemand scheint so richtig zuständig, viel Resignation und zT auch noch Individuell-wohl-falsche-Entscheidung-getroffen-Mitgefühl mit Betroffenen.

Ganz offensichtlich braucht es politischen Mut, klare Worte und große Schritte in vielen Bereichen. Julia Friedrichs jedenfalls hat Zahlen & Beispiele geliefert. Nun sind Andere dran. Auch die Leser:innen, die das Buch zum Anlass nehmen könnten, sich einzubringen, weiterzudiskutieren, anzustoßen, nachzufragen und aktiv zu werden.

Friederike Hartwig

Julia Friedrichs: Working Class. Warum wir Arbeit brauchen, von der wir leben können
Erschien im März 2021 im Berlin Verlag/ Piper.
Gebunden, 320 Seiten für €22.
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Die TV-Dokumentation UNGLEICHLAND – Reichtum (Julia Friedrichs, Fabienne Hurst, Andreas Spinrath und Michael Schmitt), 2019: Programmankündigung & ARD-Mediathek-Link