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Sandra Reichert: Der Himmel muss warten

Das schreibt der Verlag:
Berlin im Herbst 2019. Wegen mehrfachen Suizidversuchs landet Maria Parker in einer Klinik. Das Wichtigste in ihrem kargen Gepäck: der Wunsch, einen Menschen zu finden, mit dem sie gemeinsam aus dem Leben scheiden kann.
Es kommt anders. Die Lebensgeschichten der Menschen, die die junge Frau dort kennenlernt, berühren sie tief. Es wird immer unvorstellbarer, deren Tod zu verursachen. Dann setzt ihr wider Erwarten der plötzliche Suizid einer Leidensgenossin schwer zu. Allmählich bleibt Maria nur die Wahl, sich ihren Ängsten zu stellen … Sie ringt mit sich, wagt sich schließlich heran an die Gründe ihrer Krankheit, die sie längst verdrängt und vergessen hatte.
Mit Schmerzlust und Galgenhumor erzählt sich Maria Parker zurück in die Welt – gegen ihre Überzeugung, dass das Leben eine Zumutung ist.

>>Für das große Thema der Psyche und ihren Erkrankungen hat Sandra Reichert einen ganz eigenen Sound geschaffen. Frech, frei – vor allem von Pathos – und mit einem gerüttelt Maß an Selbstironie präsentiert sie ein außergewöhnlich starkes Romandebüt. Und mit Maria Parker einen Charakter, der sein Publikum mit offenem Mund zurücklässt, aus Verwunderung, aus Bewunderung.

Das sagt Die gute Seite:
Im großartigen Jugendbuch Mein Herz und andere schwarze Löcher von Jasmine Warga suchen zwei Jugendliche für ihren Suizid über eine Internetplattform Gleichgesinnte, um gemeinsam statt allein aus dem Leben zu scheiden. Natürlich erfahren wir von den Beweggründen der Protagonisten, lernen die Figuren lieben und hoffen auf ein dramatisches, weil dann doch noch glückliches Ende.

Sandra Reichert scheint uns zunächst in ihrem Debüt eine Art Erwachsenenversion zu unterbreiten, denn auch sie plant, sich Unterstützung zu organisieren in der Klinik, in die der Arzt sie mit natürlich anderer Absicht schickt: “Überzeugen Sie mich davon, dass sich umzubringen das Beste ist, was Sie für sich tun können. (…) Gehen Sie in diese Reha, bleiben Sie die vier Wochen dort. Und wenn Sie wiederkommen, gewinnen Sie mich dafür, Sie beim Suizid zu begleiten.” – “Andernfalls?” – “Soforteinweisung und Medikamententherapie wegen akuter Selbstgefährdung.” – “Sie mit Ihrer Dramatisierung!” (S.12). Aber sie willigt ein, denn “[e]ndlich funkt es: Was mein Arzt mir anbietet, ist nicht die ultimative Hürde auf dem Weg zu meiner Erlösung, sondern vielleicht sogar der Schlüssel. Gespräche unter Gleichen – natürlich! (…) Eines wird zünden: die gemeinsame Tötung, die alleinige, die unterstützte; lasset die Spiele beginnen. Was kann schon schiefgehen?” (S. 13).

Und das erfahren wir in sechzehn kurzen Kapiteln, in denen Maria Parker aus der Ich-Perspektive uns teilhaben lässt daran, wie sie in den Klinikalltag eintaucht, welche Menschen sie trifft, wie sie sich immer wieder ihres Ziels versichert, auch mal verunsichert, sich befragt, aber vor allem auch einen sehr genauen Blick für all die Personen um sie herum hat. Gruppensitzungen, Übungen, Dialoge, Begegnungen, Alltägliches werden geschildert: kurzweilig, präzise, fallbeispielhaft, monologisch – und sehr tröstlich. Denn wo über den Tod gesprochen wird, ist auch das Leben nicht weit: als Erinnerung, als Ziel, als Gedanke, als Tat, als Erfahrung, als Verlust, als Schmerz, als Glück.

Wie der Roman für Maria Parker endet, soll hier nicht verraten werden. Aber er wird die Leser:innen finden, die Schmerz, Kraft, Trost, Heilung und Verzeihen kennen oder erwünschen und trägt damit seinen Teil dazu bei, Depressionen als geläufige Krankheit mit vielen, weil individuellen, Facetten Raum zu geben.

Friederike Hartwig

Sandra Reichert: Der Himmel muss warten
Erschien im September 2022 im müry salzmann verlag,
Gebunden, 197 Seiten.
In unserem Webshop: €24
>>Zuletzt aus dem Verlag empfohlen: Flora S. Mahlers Julie Leyroux.

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